Pressemeldung
"Handelsblatt" vom 14./15. 2. 97

Der Durchbruch von Regisseur Detlev Buck kam mit dem Kinofilm "Karniggels". Im Hintergrund stand eine wertvolle Hilfe: Renée Gundelach, Unternehmensberaterin aus Berlin, Deutschlands einzige Filmökonomin, wie man ihre Tätigkeit kurz und treffend umschreiben kann.
Die diplomierte Volkswirtin Gundelach berät den Autorenfilmer in allen Fragen der Rechtevermarktung, der Finanzierung des Filmes, bei der Herstellung und Produktion bis hin zur Suche von privaten Finanziers. Ihre Klientel, die Filmemacher wie Wim Wenders oder Christoph Schlingensief, sind in diesem Sinne gleichzusetzen mit Handwerksbetrieben oder mittelständischen Unternehmen in der freien Wirtschaft.
Und wenn schon Unternehmer anderer Branchen in dieser Betriebsgröße über den kaum durchschaubaren Wust von Fördermitteln beklagen, so geht es den Filmschaffenden genauso: Allein 22 Förderprogramme bieten die verschiedensten Formen der Produktionsförderung. "Und da ändert sich von Monat zu Monat immer irgendwas", mußte Renée Gundelach feststellen. Das Spektrum der Fördermöglichkeiten reicht von Mitteln des Bundesinnenministers bis zu den verschiedenen Filmboards und Filmförderungsanstalten.
Die Fördermittelrecherche und deren Beantragung ist vergleichsweise das kleinere Übel in der Arbeit der Filmökonomin. Ihre Projekte, die vom Low-Budget-Film mit einem Etat von 400.000 DM bis 13 Mio. reichen, werden komplett durchgerechnet. Das schließt harte Verhandlungen mit öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten ebenso ein wie die mit den zahlreichen Verleihfirmen.
Ist eine Vermarktung im Ausland vorgesehen, dann steigt der Aufwand immens. "Damit ist es jedoch nicht getan. Wenn feststeht, wieviel der Film über seine Rechte bringt, und wenn die komplette Finanzierung steht, dann ist das oft erst die halbe Miete", erklärt Gundelach. "Ein Teil der Gelder fließt nämlich erst nach Fertigstellung des Filmes. Und es muß gewährleistet werden, daß nicht plötzlich kurz vorm Endschnitt kein Geld mehr da ist."
Da gibt es dann Kreditierung, Rückstellungen, Beistellungen. Unter letzterem versteht man eine Vereinbarung mit den Darstellern, daß sie ihre Gage erst nach der Fertigstellung kassieren. Mit Kopierfirmen verhandelt Gundelach Sonderkonditionen aus wie ein Einkäufer in der Privatwirtschaft. Sponsoren stellen kostenlos Sachwerte zur Verfügung - auch ein nicht unerheblicher Posten in der "Bilanz" des Filmes. Wichtigstes Kriterium ist bei allen Kalkulationen: "Man muß ein Insider sein und die Preise in der Branche kennen. Was ist für ein Drehbuch zu zahlen, was kann man von Fernsehanstalten wie Arte oder dem ZDF für die Ausstrahlungsrechte verlangen. Wer sich da nicht auskennt, kann leicht Verluste machen."
Den Fakt, daß die Autorenfilmer meist mehr über Kreativität und Ideen verfügen denn über wirtschaftliches Know How und überdies in der Regel knapp bei Kasse sind, stellt für die Unternehmensberaterin kein Problem dar, auch wenn sie in der eigenen Vertragsgestaltung sehr konsequent auftritt: "Ich arbeite auf Honorarbasis, und nicht, wie oft vom Auftraggeber erwünscht, auf Provisionsbasis nach dem Motto: sie bekommen soundsoviel vom Erfolg des Filmes. Wenn man auf Provisionen aus ist, hat man sich im Handumdrehen den Ruf ruiniert." Die Filmschaffenden zahlen für das Finanzierungskonzept 7.500 DM für eine kleine und 15.000 DM für eine große Produktion, eine Summe, die so weit wie möglich auch mit Fördermitteln abgedeckt wird.
Im Finanzierungskonzept fließt dann auch das Honorar der Filmökonomin für die gesamte Herstellungsleitung des Filmes mit ein. Dazu kommt, daß die Budgetierung auch den jeweiligen Erfordernissen angepaßt wird, "manchmal sogar alle vierzehn Tage".
Renée Gundelach sieht sich nicht als einfache Unternehmensberaterin sondern macht schon seit Jahren das, woran sich die Beraterbranche erst seit kurzem orientiert. Sie sieht sich als Coach für den Filmschaffenden, ohne diesen vom wirtschaftlichen Risiko zu entbinden oder sich dessen Rechte zu bemächtigen. "Gerade der Fakt, daß der Regisseur seine Rechte behält, schafft das Vertrauen in meine Arbeit", meint die Beraterin.
Entsprechend groß ist der Zulauf bei Renée Gundelach. "Ich suche mir die Leute aus, mit denen ich zusammenarbeite." An mehr als fünf Filmprojekten pro Jahr arbeitet die resolute Unternehmerin, die sich unmittelbar nach ihrem Studium und noch vor ihrer Diplomierung als Volkswirtin im Jahr 1968 mit ihrer Firma zur Herstellungsleitung, Service und Beratung selbstständig machte.
Daneben arbeitete Renée Gundelach noch bis 1975 als wissenschaftliche Assistentin an Berliner Forschungseinrichtungen, davon die letzten fünf Jahre bei Prof. Reinhard Selten, der kürzlich für seine Spieltheorie den Nobelpreis für Wirtschaft erhielt. Die Liebe zur filmischen Spielkunst war bei Renée Gundelach allerdings schon weit vor der Assistenz bei dem späteren Nobelpreisträger da.

Torsten Holler in "Handelsblatt" vom 14./15.2.1997